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Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht in Köln, Düren und Euskirchen - Dr. Kunzmann Seniorpartner der Fachanwälte

Fallstudie Einigungsstelle Fast Food-Restaurant

Wir stellen hier als unseren Erfahrungsbericht leicht anonymisiert den konkreten Ablauf des Verfahrens einer Einigungsstelle dar. Es geht um ein häufiges und oft dramatisches Thema für Einigungsstellen: Interessenausgleich und Sozialplan bei Betriebsstilllegung.

Der Betrieb

Der Betrieb trug den Namen und das Logo einer der großen Fastfoodketten, die weltweit agieren. Aber bekanntlich ist dort, wo McDonald’s, Burger King, Subways, Pizza-Hut, KFC usw. draufsteht, nicht McDonald’s oder Burger King drin, sondern tatsächlich werden diese Lokale von Franchisenehmern betrieben.

So war es auch im konkreten Fall. Wirtschaftlicher Inhaber war letztlich ein Ehepaar, das in Ostdeutschland residierend ein Geflecht von Gesellschaften steuerte. Jede dieser Gesellschaften betrieb ein oder zwei Lokale.

Fast-Food-Kette - nicht jede hat einen Betriebsrat - ohne Betriebsrat gibt es keinen Sozialplan

Dieser Betrieb von McD war nicht betroffen

Natürlich wissen wir, dass juristisch die einzelne Kommanditgesellschaft der Arbeitgeber ist. Wir wollen aber uns hier auf die handelnden Personen konzentrieren, also auf das einheitlich auftretende Ehepaar, das die Fäden in der Hand hat.

Diese Inhaber erweckten den Eindruck, wahre Bilderbuch-Kapitalisten zu sein, wie aus dem Karikaturenbuch des 19. Jahrhunderts. Obwohl der Betrieb in guter Lage in Köln ansässig war, wurde mit den Mitarbeitern viele Jahre lang die Geltung der Tarifverträge Ostdeutschlands mit entsprechenden Dumpinglöhnen vereinbart.

Der Betrieb verfügt über einen Lastenaufzug, doch durfte dieser nicht benutzt werden, um die Stromkosten zu sparen. So mussten die Müllsäcke durch das Lokal und die das Lokal umgebenden Fußgängerbereiche in den Keller getragen oder gefahren werden. Dies ergab ein optisch wenig ansprechendes Bild und die Arbeitszeit für den weiten Weg war wohl teurer, als der gesparte Strom für den Aufzug.

Der Betriebsrat

Solche Hardcore-Kapitalisten neigen oft dazu, zu überziehen. Sie kennen nur Freund und Feind; und ihre Arbeitnehmer sind nicht ihre Freunde, sondern geldgierige Faulenzer.

So wurde der gesamte Betrieb mit Überwachungs- Kameras ausgestattet. Auf den zunächst zaghaften Protest der Mitarbeiter hin wurde dies damit begründet, dass dies alles nur zu ihrer eigenen Sicherheit geschehe. Die Mitarbeiter waren nicht davon zu überzeugen, dass auch die Arbeitsplätze in der Küche zu Ihrer eigenen Sicherheit beobachtet werden mussten. Sie ergriffen die Initiative und wählten einen Betriebsrat. Damit war die Überwachungs-Maßnahme mitbestimmungspflichtig und konnte vom Betriebsrat unterbunden werden.

Diese Gründung des Betriebsrats erwies sich als besonders segensreich, als nun die Betriebsschließung anstand. Denn ohne Betriebsrat gibt es bei solchen Maßnahmen keinen Interessenausgleich und Sozialplan.

Die Mitarbeiter

Der Betrieb hatte zwar insgesamt 45 Mitarbeiter, aber nur eine kleine Stammbesatzung. Gerade im Service waren viele mit befristeten Verträgen eingestellt und arbeiteten in Teilzeit neben ihrem Studium. Obwohl der Betrieb fast 20 Jahre existierte, waren nur 6-7 Mitarbeiter länger als zwölf Jahre hier beschäftigt. Nur fünf Mitarbeiter arbeiteten in Vollzeit, und diese waren alle in der Küche tätig.

Illustration zu Erfahrungsbericht Einigungsstelle Sozialplan Systemgastronomie

Niedrig-Lohn in Systemgastronomie erfodert oft Zusatzeinkommen

Die Vergütung war niedrig, wie generell in der Systemgastronomie.

Die Stilllegung des Betriebs

Der Mietvertrag für das Lokal war bis zum 30. Juni 2013 befristet. Die Arbeitgeber behaupteten, der Vermieter wolle den Vertrag nicht verlängern. Andererseits kursierte das Gerücht, dass die Arbeitgeber schon in unmittelbarer Nähe neue Räumlichkeiten organisiert hätten. Jedenfalls beschloss der Arbeitgeber, den Betrieb mit dem 31. Mai 2013 zu schließen.

Die Arbeitgeber begingen hier aber einen schweren taktischen Fehler, indem sie das Problem der Betriebsstilllegung nicht rechtzeitig angingen. Dadurch gerieten sie in selbstverschuldete Zeitnot.

Die langjährig beschäftigten Mitarbeiter hatten zum Teil Kündigungsfristen von sechs Monaten zum Monatsende. Bei der Betriebsstilllegung zum 31. Mai 2013 hätte der Arbeitgeber also bereits im November 2012 die Kündigungen erklären müssen. Da die Verhandlungen nun erst im Januar 2013 begannen, konnte er einige Arbeitsverhältnisse auf jeden Fall frühestens zum 31. Juli 2013 beenden, verbunden mit der Pflicht, auch für Juni und Juli noch den Lohn bezahlen zu müssen. Tatsächlich verschob sich dieser Zeitpunkt nochmals.

Die Rechtslage

Im Individualarbeitsrecht, also für die Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer, ist im Falle einer Betriebsstilllegung die Rechtslage eindeutig: die Entscheidung des Arbeitgebers, den Betrieb zu schließen, wird vom Arbeitsgericht akzeptiert. Dies führt zum Wegfall von Arbeitsplätzen und somit zu einem Grund, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Und da alle Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt gekündigt werden soll, ist auch keine Sozialauswahl durchzuführen. Selbst der Sonderkündigungsschutz des Betriebsrats ist hier wertlos.

Nur das kollektive Arbeitsrecht, hier das Betriebsverfassungsrecht, verbessert die Lage der Arbeitnehmer. Dieses schreibt vor, dass der Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat durchführen und um einen Sozialplan verhandeln muss, §§ 111 ff. BetrVG.

Unterlässt der Arbeitgeber diesen Interessenausgleich und kündigt die Arbeitsverhältnisse, so kann jeder der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht auf einen Nachteilsausgleich klagen. Konkret führt dies dann dazu, dass das Gericht den Arbeitgeber zu einer Abfindungszahlung verurteilt.

Kein Franchising - der Imbiss auf der Südwest-Spitze Portugals

Es gibt sogar Gerichte, die dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch geben gegen die Betriebsstilllegung, solange der Interessenausgleich nicht durchgeführt ist. Allerdings gehört das hier zuständige Landesarbeitsgericht Köln nicht zu diesen Gerichten. Somit schied dieses Mittel für den Betriebsrat aus.

Da der Arbeitgeber sich nur ungern zu Abfindungszahlungen verurteilen lässt, muss er also den Interessenausgleich durchführen. Und dies begründet die Stärke der Position des Betriebsrats.

Es ist deshalb das oberste Gebot für eine effektive Interessendurchsetzung bei der Betriebsstilllegung, den Interessenausgleich nicht abzuschließen, ohne dass auch ein zufrieden stellender Sozialplan mit im Paket ist.

Verhandlungen vor der Bildung einer Einigungsstelle

Weder Betriebsrat noch Arbeitgeber können direkt die Bildung einer Einigungsstelle fordern. Zunächst müssen sie über streitige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln, § 74 BetrVG.

Solche Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber fanden hier auch statt. Der Arbeitgeber machte auch einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit: der Betriebsrat sollte die Betriebsstilllegung akzeptieren und der Betriebsrat sollte 20.000,00 € erhalten. Diese könne er nach seinen Vorstellungen an die Mitarbeiter geben, oder er könne das Geld auch behalten und nur unter den Betriebsratsmitgliedern verteilen.

nicht das Bstechungsangebot für Betriebsrat - Werbung für Abfindung

Eine gute Abfindung - Ziel der Verhandlungen um einen Soziaplan

Der Betriebsrat machte ein Gegenangebot: er würde die Betriebsschließung akzeptieren, wenn es einen Sozialplan gäbe mit Abfindungen für die Mitarbeiter in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern pro Jahr der Beschäftigung. Dies lehnte der Arbeitgeber ab. Am 23. Januar 2013 erklärt er die Verhandlungen für gescheitert und kündigte an, eine Einigungsstelle anzurufen.

Das Ringen um den Vorsitzenden der Einigungsstelle

Eine Einigungsstelle besteht bekanntlich aus einer gleichen Zahl von Beisitzern jeder Seite und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen (§ 76 BetrVG).

Einigungsstelle anrufen - nicht per Telefon

Immer wieder ein Missverständnis: Die Einigungsstelle anrufen ...

Da die Einigungsstelle ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit fasst, kommt der Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle erhebliche Bedeutung zu. Der Arbeitgeber wird sich einen Vorsitzenden wünschen, der im Zweifel den Argumenten der Arbeitgeber aufgeschlossener gegenübersteht. Der Betriebsrat wünscht sich einen Vorsitzenden der Einigungsstelle, der mehr Verständnis für die sozialen Belange der Mitarbeiter hat.

Arbeitgeber schlägt Vorsitzenden der Einigungsstelle vor

Die Arbeitgeberseite schlug hier einen Richter am Landesarbeitsgericht Berlin und einen Richter am Landesarbeitsgericht Sachsen zur Auswahl vor. Diese waren erwartungsgemäß weder den Mitgliedern des Betriebsrats noch uns als dessen Rechtsanwälten näher bekannt. Auch ob sie über das wichtige Verhandlungsgeschick für den Vorsitzenden einer Einigungsstelle verfügten, konnten wir nicht beurteilen. Vor allem aber kannten diese Richter aus Berlin und Leipzig die lokalen Besonderheiten wohl eher nicht.

Später hörten wir, dass die Arbeitgeberseite mit einem der Vorsitzenden gute Erfahrungen gemacht hatte: die Einigungsstelle unter seiner Leitung soll in einem vergleichbaren Fall mit einem Sozialplanvolumen von lediglich 10.000,00 Euro geendet haben, also mit weniger als 300,00 € pro Mitarbeiter.

Angebot Arbeitgeber: Einigungsstelle für Systemgastronomie Köln soll Sozialplan in Leipzig verhandeln

Nicht attraktives Angebot - zur Einigungsstelle nach Leipzig zu fliegen

Dazu passte der Vorschlag des Arbeitgebers, die Einigungsstelle solle in Leipzig tagen; die Fahrtkosten für Betriebsrat und Beisitzer werde der Arbeitgeber übernehmen.

Vorbereitungen des Betriebsrats für die Einigungsstelle

Der Betriebsrat fasste den Beschluss, die Verhandlungen über den Interessenausgleich intensiv fortzusetzen. Er erklärte die Verhandlungen über den Interessenausgleich nicht für gescheitert.

Hätte der Betriebsrat den Interessenausgleich für gescheitert erklärt, hätte der Arbeitgeber sich dem angeschlossen. Damit wäre der Interessenausgleich abgeschlossen und der Weg für den Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigungen wäre frei gewesen. Und der Arbeitgeber hätte alle Zeit der Welt, über den Sozialplan zu verhandeln.

So aber war der Arbeitgeber daran gehindert, die Kündigungen schon jetzt auszusprechen. Er war auf die Mitwirkung des Betriebsrats weiterhin angewiesen. Diese Kooperation des Betriebsrats beim Interessenausgleich wird er ohne einen Sozialplan nicht bekommen.

Eigener Beschluss des Betriebsrats: Bildung einer Einigungsstelle

Der Betriebsrat und Arbeitgeber haben sich bis jetzt nicht über die Bildung einer Einigungsstelle geeinigt: dazu wäre eine Einigung über die Person des Vorsitzenden und über die Zahl der Beisitzer erforderlich gewesen.

Nun galt es für den Betriebsrat, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Der Betriebsrat entschied sich deshalb, den Vorsitzenden der Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht bestimmen zu lassen.

Der Betriebsrat beschloss förmlich, beim Arbeitsgericht zu beantragen, eine Einigungsstelle mit dem Thema Interessenausgleich und Sozialplan wegen Schließung der Betriebsstätte in der X-straße in Köln zum 30. Juni 2013 einzuberufen, Herrn T. zum Vorsitzenden zu bestellen sowie die Zahl der Beisitzer auf jeweils drei festzulegen.

Auf der Suche nach unserem Vorsitzenden der Einigungsstelle

Der Vorschlag, Herrn T zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu berufen, erfolgte nicht ins Blaue hinein. Wir folgten vielmehr den Grundsätzen für die Auswahl des Vorsitzenden der Einigungsstelle, die wir auf dieser Website ausführlich darstellten. Ein erfahrener Richter aus der Arbeitsgerichtsbarkeit, inzwischen pensioniert, mit großem Verhandlungsgeschick und einem ausgewogenen Urteil. Er ist somit für Arbeitgeber wie Betriebsräte akzeptabel.

Zuvor war natürlich ein Telefongespräch mit ihm erforderlich, nicht nur um seine Bereitschaft zur Übernahme des Vorsitzenden der Einigungsstelle zu erkunden. Wichtig war auch, ob er zeitnah verfügbar war, also in seinem Terminkalender für uns Platz ist.

Einreichung des Antrags auf Bildung der Einigungsstelle beim Arbeitsgericht

Noch am gleichen Tag, an dem der Betriebsrat in unserem Besprechungszimmer tagte, reichten wir den Antrag beim Arbeitsgericht Köln ein.

Arbeitsgericht Köln - Beschlussverfahren wegen Bildung Einigungsstelle Sozialplan

Eingang des Arbeitsgerichts Köln

Und wir telefonierten noch am gleichen Abend mit dem Arbeitgeber. Da für ihn die Zeit drängte, erwarteten wir, dass er nun unseren Antrag akzeptierte. Der Arbeitgeber gab sich aber siegessicher: er habe selbst bereits am Vortag einen Antrag eingereicht, mit den von ihm vorgeschlagenen Vorsitzenden aus Berlin und Leipzig.

Der Antrag des Arbeitgebers war nach der Geschäftsverteilung des Arbeitsgerichts Köln der 6. Kammer zugewiesen wurden. Diese bestimmte einen Verhandlungstermin für den 24. Februar 2013. Für unseren eigenen Antrag wurde jedoch die 8. Kammer zuständig. Sie terminierte auf den 19. Februar 2013, also auf drei Wochen nach Eingang des Antrags.

Nun erkannte allmählich der Arbeitgeber, dass ihm noch mehr die Zeit davon läuft. Denn der Streit um die Bestimmung des Vorsitzenden hätte einschließlich dem möglichen Rechtsmittel sich durchaus bis in den Sommer hinziehen können. Und es war nicht unbedingt zu erwarten, dass ein Kölner Arbeitsgericht davon zu überzeugen ist, Vorsitzende aus Berlin oder Sachsen zu berufen, in einem Fall, der sich auf Köln oder das Rheinland insgesamt beschränkt.

Arbeitgeber akzeptiert Vorstellungen des Betriebsrats

Die Arbeitgeberseite bot uns am 18. Februar 2013 deshalb an, den von uns vorgeschlagenen Herrn T. als Vorsitzenden der Einigungsstelle zu akzeptieren, aber die Zahl der Beisitzer auf zwei zu beschränken. Damit waren wir einverstanden. Das von uns eingeleitete Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht wurde durch einen Vergleich ohne mündliche Verhandlung erledigt. Der Arbeitgeber zog seinen Antrag auf Errichtung einer Einigungsstelle zurück.

Die Arbeitgeberseite wandte sich umgehend an Herrn T. und wies auf die Eilbedürftigkeit der Verhandlungen hin. Und Herr T. telefonierte mit uns, um einen Termin abzustimmen. Er schlug den 25. Februar 2013 vor. Da wir am Vormittag durch Gerichtstermine bereits verhindert waren, konnten wir uns mit einem Beginn der Einigungsstelle erst nach 12:30 Uhr einverstanden erklären.

Bestimmung der Beisitzer in der Einigungsstelle

Der Betriebsrat beschloss nun noch, den Betriebsratsvorsitzenden und unseren Partner, Rechtsanwalt Derkorn, als Beisitzer in die Einigungsstelle zu entsenden. Dies entsprach den allgemeinen Prinzipien zur Besetzung der Einigungsstelle mit Beisitzern, die wir auf dieser Website ausführlich darstellen. Über diesen Beschluss, wer Beisitzer wird, unterrichteten wir dann Arbeitgeberseite und den Vorsitzenden der Einigungsstelle – keine zwingende Notwendigkeit, aber ein Akt der Höflichkeit, jedenfalls gegenüber dem Gegner.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Oliver Derkorn Köln koeln dueren düren Euskirchen Beisitzer in dieser Einigungsstelle zum Sozialplan

Oliver Derkorn beriet und übernahm die Vertretung des Betriebsrats als Fachanwalt in Köln

Die Arbeitgeberin, eigentlich eine GmbH & Co. KG, benannte als Beisitzer ihre Geschäftsführerin und den Rechtsanwalt, den wir bereits aus den Verhandlungen vor der Einrichtung der Einigungsstelle kennen gelernt hatten.

Festlegung der Verhandlungsziele des Betriebsrats für die Einigungsstelle

Die Stimmung und Wünsche der Mitarbeiter im Betrieb waren klar: Sie hatten kein Interesse, in diesem Unternehmen in einer anderen Betriebsstätte zu arbeiten. Dazu waren die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv genug: schlechte Bezahlung, Videoüberwachung … . Sie wollten eine Abfindung und dann ihr Glück auf dem Arbeitsmarkt suchen. Dem standen die Gerüchte entgegen, dass die Gegenseite zu allem bereit sei, aber nur nicht zur Zahlung von Abfindungen.

Vorbereitung der Verhandlungen der Einigungsstelle

Der Vorsitzende der Einigungsstelle wies in einem der Telefonate darauf hin, dass es sinnvoll sei, die Einigungsstelle schriftlich vorzubereiten. Er erwarte keine ausformulierten Entwürfe für Betriebsvereinbarungen, sondern eher ein Thesenpapier mit knackigen Formulierungen, so seine Aufforderung an uns.

Der Arbeitgeber sollte sich um Beamer, Laptop und vor allem einen Sitzungsraum kümmern. Der Vorsitzende der Einigungsstelle erklärte weiter, dass eine der Parteien ihm ein Diktiergerät zur Verfügung stellen solle.

Tagungsräume für Einigungsstelle über Sozialplan und Interessenausgleich Betreibsverfassung tagt in Hotel

Tagungsstätte für Einigungsstelle - dieses Hotel war zu teuer

Nach mehreren Telefonaten stand fest, dass am Montag, 25. Februar 2013, 12:30 Uhr die Einigungsstelle in einem Hotel am Kölner Flughafen verhandeln solle. Die Arbeitgeberseite kam mit ihrem Anwalt aus Leipzig angeflogen.

Der Vorsitzende der Einigungsstellen lud dann noch förmlich zu dieser Sitzung ein.

Die für eine solche Einigungsstelle erforderlichen Informationen wurden von der Arbeitgeberseite nur zögerlich bereitgestellt. Erst während der Verhandlung legte die Arbeitgeberseite eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) vor, die aufgrund der späten Vorlage nur eingeschränkt überprüft werden konnte.

Die Bitte des Betriebsrats, zur Vorbereitung eine Mitarbeiterliste mit den Bruttomonatsgehältern, den Daten der Betriebszugehörigkeit, Alter und Unterhaltspflichten zur Verfügung zu stellen, wurde nur teilweise entsprochen: die Bruttomonatsgehältern wurden verschwiegen; diese wurden zu Händen des Filialleiter des geschickt. Der Betriebsrat könne dort Einsicht nehmen und sich Notizen machen, keinesfalls aber die Liste abschreiben.

Nach einem kurzen Telefonat von uns wurde dann die vollständige Liste doch am 21. Februar 2013 per E-Mail übersandt.

Sozialplan abfindung in der Einigungsstelle: rechnen!

Sozialplanverhandlungen - Taschenrechner ist das Minimum!

So kalkulierten wir überschlägig, wie groß das Volumen der Sozialplan sein müsste, wenn man den üblichen Regelsatz für Abfindungen zu Grunde legte und pro Kind noch 2.000,00 € zusätzlich einplante. Mit diesem Regelsatz von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung ergaben sich insgesamt ca. 150.000,00 €.

Anhand dieser Liste ließ sich auch erkennen, dass ganz viele Mitarbeiter relativ wenig Abfindung bekämen, da sie Teilzeit und erst seit kurzem im Betrieb arbeiteten. Auf der anderen Seite gab es Mitarbeiter mit einer sehr langen Betriebszugehörigkeit und Vollzeitbeschäftigung, auf die relativ hohe Beträge entfallen werden. Von daher war zu erwarten, dass die Arbeitgeberseite alles daran setzen, diese “alten” Mitarbeiter aus dem Sozialplan heraus zu drängen. Es war also zu erwarten, dass sie Mittel und Wege suchen würden, dass gerade diese keine Abfindung bekommen.

Vielleicht wollte der Arbeitgeber die finanzielle Notlage des Unternehmens auch dadurch beweisen, dass es nur für einen Tagungsraum im Keller eines kleinen Hotels reichte. Da der Betriebsrat aber auch beschlussfähig bereitstehen sollte, wäre es nett gewesen, wenn es für diesen auch einen Raum gegeben hätte. Hierfür konnten wir schließlich den Frühstücksraum des Hotels nutzen.

Verpflegung bei Verhanldungen in der Einigungsstelle auch bei Sozialpan Teil der Kosten der Einigungsstelle

Sparsame Verpflegung für lange Sitzung - Teil der Kosten der Einigungsstelle

Das finanzielle Elend der Arbeitgeberseite wurde weiter dadurch dokumentiert, dass trotz der Mittagszeit lediglich zwei Kannen Kaffee und ein Teller trockener Kekse bestellt waren.

Vielleicht war es aber gar nicht die Sparsamkeit, die den Arbeitgeber bewegte, sondern die Sorge um die schlanke Linie der Mitglieder der Einigungsstelle. Oder er meinte, Hunger und Durst werden das Verfahren vor der Einigungsstelle abkürzen: bis zum Sitzungsende spät in der Nacht gab es keinen Nachschub mehr. Das Angebot an Speisen und Getränken konnte man jedenfalls nicht als versuchte Bestechung werten.

Beginn der Sitzung der Einigungsstelle

Nachdem der Vorsitzende erschienen war, begrüßte er die Anwesenden und begann das Protokoll, in dem er die Namen der Anwesenden diktierte.

Sodann merkte der Vorsitzende der Einigungsstelle an, dass er zwar schon viele Einigungsstellen geleitet habe, aber selten eine, bei der so wenige Informationen von der Arbeitgeberseite bereitgestellt worden seien. Er wisse noch nichts über das Unternehmen und über den Anlass der Betriebsänderung.

BWA- für Verhandlung Sozialplan in Einigungsstelle unverzichtbar

"BWA" - Betriebswirtschaftliche Auswertung - wichtige Grundlage in einer Einigungsstelle

Der Arbeitgeber begründete die Betriebsschließung damit, dass der Mietvertrag nicht verlängert werde. Der Betriebsrat wies darauf hin, dass ohne weiteres eine alternative Räumlichkeit hätte gefunden werden könne und alle im Betrieb davon ausgehen, dass der Arbeitgeber auch ein neues Lokal bereits in Aussicht habe. Man wolle nur über die Betriebsschließung jetzt ältere und teure Mitarbeiter loswerden, um mit einer verjüngten Mannschaft neu starten zu können. Dem widersprach der Arbeitgeber.

Der Vorsitzende begann nun die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zu klären. Die Arbeitgeberfamilie betreibt insgesamt ein Dutzend Lokale, aber bedient sich hierzu verschiedener Gesellschaften. Somit lägen unterschiedliche Unternehmen vor, und nur das einzelne Unternehmen zähle. Die hiesige Gesellschaft betreibt noch ein Lokal im Stadtzentrum von Aachen. Das Lokal der gleichen Kette in der Schildergasse in Köln sei rechtlich selbstständig. Der Arbeitgeber weigerte sich deshalb, dort Arbeitsplätze anzubieten.

Der Vorsitzende berichtete, dass er mit der Arbeitgeberseite vorab telefoniert habe und diese lediglich bereit sei, 10.000,00 € für einen Härtefall-Fonds auszugeben.

Gemeinsam gingen wir nun die Mitarbeiterliste durch, ob Teilzeit oder vollbeschäftigt, befristet oder unbefristet, Unterhaltspflichten und Vergütung.

Die Arbeitgeberseite wandte ein, dass zwei auf der Liste stehenden Betriebsleiter leitende Angestellte seien, die nicht in den Geltungsbereich des Sozialplans fielen. Der Betriebsrat beteiligte sich an dieser Diskussion nicht unter Hinweis darauf, dass nicht im Sozialplan festgelegt werden könne, ob jemand die tatsächlichen Kriterien erfüllt, wonach ihm nach Gesetz dann der Status des leitenden Angestellten zufällt.

Der Arbeitgeber spielte nun, wie zu erwarten war, die Karte “Weiterbeschäftigung in Aachen”.

Keinen Anspruch auf eine Abfindung solle bekommen, wer einen zumutbaren anderen Arbeitsplatz ablehnt. Solch ein zumutbarer Arbeitsplatz solle insbesondere ein Arbeitsplatz im zweiten Betrieb der Gesellschaft in Aachen sein.

Der Zweck war, durch das Angebot von Arbeitsplätzen in Aachen die Zahlung von Abfindungen zu vermeiden. Es war auch klar, dass bei der niedrigen Vergütung Arbeitsplätze in Aachen absolut unattraktiv sind. Nach Abzug der Fahrtkosten wäre kaum noch etwas übrig geblieben.

Verhandlung Sozialplan und Interessenausgelich nach BetrVG in einigungsstelle - alternative Arbeitsplätze Aachen unzumutbar

Pendeln von Köln nach Aachen - kein zumutbares Angebot, fand die Einigungsstelle

Der Betriebsrat lehnte dies deshalb konsequent ab, und wies darauf hin, dass statt dessen die Arbeitsplätze in Köln angeboten werden könnten.

Hier legte sich der Vorsitzende der Einigungsstelle schnell fest, dass für Teilzeitbeschäftigte ein Angebot in Aachen nicht zumutbar sei. Nur bei Vollzeitbeschäftigung käme dies in Betracht.

In Vollzeit waren nur Mitarbeiter in der Küche beschäftigt, die sehr lange in Betrieb waren und relativ alt. Auch war deren Gesundheitszustand nicht der beste, so dass sie mehr Fehlzeiten aufwiesen, als die anderen Mitarbeiter.

Die Sitzung wurde dann gegen 15:00 Uhr erstmals unterbrochen.

Pendeldiplomatie des Vorsitzenden der Einigungsstelle

Nun begann die typische Phase der Pendeldiplomatie: der Vorsitzende der Einigungsstelle verhandelt mit den beiden Lagern getrennt und versucht dann, die Möglichkeiten einer Einigung auszuloten. Er blieb zunächst mit den Arbeitgebern im Sitzungszimmer zurück.

Wir nutzten diese Phase, um im Frühstücksraum mit dem gesamten Betriebsrat den bisherigen Verlauf zu diskutieren. Wir ermittelten auch die Fahrzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Köln nach Aachen und zurück. Dabei ergaben sich schon für die Kölner Innenstadt Fahrzeiten von mehr als 60 Minuten für eine Strecke, gerechnet mit dem Arbeitsende am Abend in Aachen.

Als der Vorsitzende der Einigungsstelle dann zum Betriebsrat kam, um dessen Meinung zu den Angeboten in Aachen zu erfragen, teilten wir diese Ergebnisse der Internetrecherche mit. Ein Arbeitsplatz in Aachen komme allenfalls für die Mitarbeiter in frage, die einen Pkw besäßen und auch nur, wenn der Arbeitgeber für zwei Jahre die Fahrtkosten mit 0,30 € pro gefahrenen Kilometer erstattet.

Der Einigungstellen-Vorsitzende berichtete, dass nunmehr der Arbeitgeber bereit sei, auch Arbeitsplätze in Köln anzubieten. Das Thema “Aachen” war also vom Tisch.

Weitere Sitzungsrunde der Einigungsstelle mit Beisitzern

Die Pendeldiplomatie wurde nun wieder beendet. Es wurde wieder darüber diskutiert, welche von der Filiale in der Schildergasse angebotenen Arbeitsplätze gleichwertig seien und ob in diesem neuen Arbeitsverhältnis eine Probezeit gelte oder ob von Anfang an der Kündigungsschutz vereinbart sei. Andernfalls wäre ja dieses Angebot recht wertlos, da das Schwesterunternehmen in der Schildergasse alsbald die Kündigung in der Probezeit erklären könnte. Es ging auch darum, ob die Betriebszugehörigkeit anerkannt werde – zum einen wichtig für die Sozialauswahl, falls dort betriebsbedingte Kündigungen an stünden, zum anderen aber auch wichtig, weil in der Gastronomie die Zahl der Urlaubstage mit der Betriebszugehörigkeit steigt.

Hier positionierte sich der Vorsitzende der Einigungsstelle schnell gegen die Forderung des Betriebsrats: wenn das Schwesterunternehmen schon Arbeitsplätze anbiete, auf Probezeit und Kündigungsschutz verzichte, müsse das nun genügen. Er könne in einem Spruch der Einigungsstelle diese sowieso nicht zwingen, überhaupt Arbeitsplätze anzubieten.

Flugzeug - Beisitzer Einigungsstelle für Interessenausgleich Sozialplan bei Betriebsstilllegung reist vorzeitig ab

Abflug einer Hälfte der Arbeitgeberseite in Einigungsstelle (kein Originalbild)

Die Geschäftsführerin zog es nun vor, die Einigungsstelle zu verlassen und das Flugzeug nach Leipzig zu nehmen. Ihr Rechtsanwalt habe umfassende Vollmachten.

Verhandlung über Namensliste

Die Sitzung der Einigungsstelle wurde wieder unterbrochen; der Betriebsrat wollte sich beraten. Es gab nämlich bei den Kellnern zwei Klassen: die einen servierten nur, während die anderen Kellnern auch kassierten und dabei Trinkgeld einnahmen. Gleichwertig sollte nur eine solche Tätigkeit sein, die diese Chance des Zusatzverdienstes auch bot.

Während der Betriebsrat sich beriet, machte der Vertreter des Arbeitgebers klar, dass er zusätzlich zum Sozialplan einen Interessenausgleich mit Namenslisten haben wollte. Dafür verzichte er dann auch auf die Möglichkeit, den Mitarbeiter Arbeitsplätze in Aachen anzubieten, um Abfindungen zu vermeiden.

(Eine Namensliste hat zur Folge, dass in der Praxis die Chancen des Arbeitgebers bei einer Kündigungsschutzklage dieser Mitarbeiter sich verbessern. Diese wäre aber von engagierten Anwälten bei einer Kündigungsschutzklage zerpflückt worden.)

Denn diese Namensliste sollte lediglich drei ältere Mitarbeiter erfassen, mit hohen Fehlzeiten.

Telefon zur Verbindung mit Arbeitgeber

Telefonat des Beisitzers in der Einigungsstelle - heute meist per Smartphone

Der Einigungsstellenvorsitzende hatte dem Arbeitgebervertreter aber schon deutlich gemacht, dass eine Namensliste zusätzlich Geld kosten würde. Im übrigen schlug er eine Abfindungsformel vor mit dem Faktor 0,6. Nach dieser Formel hätten also die Mitarbeiter pro Jahr der Beschäftigung eine Abfindung in Höhe von 0,6 Bruttomonatsgehältern erhalten.

Der verbliebene Arbeitgeber-Beisitzer in der Einigungsstelle, der Rechtsanwalt, traute sich nicht, dies zu entscheiden. Er musste telefonieren. Er erhielt die klare Anweisung, dies abzulehnen.

Beginn der Schlussphase - zwei Entwürfe für die Einigungsstelle

Der Einigungsstellen-Vorsitzende diktierte nun zwei Varianten: der eine Entwurf erhielt eine Namensliste mit Sozialplan. Der Spruch der Einigungsstelle hätte nicht so weit gehen können; dies war also nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich. Der zweite Vorschlag des Vorsitzenden war bereits die Vorlage für einen Spruch der Einigungsstelle, der mit Mehrheit ergehen konnte, gegen die Stimmen einzelner Beisitzern. Dieser zweite Vorschlag sah keine Namensliste vor, wohl aber die Möglichkeit, Arbeit-Angebote in Aachen und in Köln zu unterbreiten und so für diese Mitarbeiter die Abfindung zu vermeiden.

Der Betriebsrat zog sich erneut zur Beratung zurück. Die Namensliste war ein heißes Thema. Sie hätte diesen Kollegen zumindest einen sicheren Anspruch auf eine Abfindung gebracht. Andererseits war damit zu rechnen, dass alle anderen Kollegen ohne Abfindung ausgehen würden, weil sie mit einem Arbeitsplatz in Köln oder Aachen abgespeist werden könnten.

Nun stellte der Betriebsrat aber fest, dass ohnehin kein Vollzeit-Mitarbeiter einen Pkw besaß. Und nur für Vollzeitmitarbeiter mit Pkw war Aachen eine zumutbare Beschäftigung. So wurde der Interessenausgleich mit Namensliste vom Betriebsrat abgelehnt.

Nachtsitzung der Einigungsstelle

Es war nun schon weit nach 20:00 Uhr, als die Sitzung der Einigungsstelle fortgesetzt wurde, immer noch mit leeren Kaffeekannen und leerem Keksteller.

Nachtsitzung Einigungsstelle Interessenausgleich Sozialplan betriebsverfassung Betriebsstilllegung Köln Systemgastronomie erfahrungsbericht

Nachtsitzung der Verhandlungen sind typisch auch bei Einigungsstellen für Sozialpläne, leider an weniger schönen Orten

Der Betriebsrat war mit der Namensliste nicht einverstanden, der Arbeitgeber wollte den Faktor 0,6 bei den Abfindungen nicht akzeptieren. Der Betriebsrat wies auch darauf hin, dass nun mit Angeboten von Arbeitsplätzen in Köln zu rechnen sei, obwohl in der Filiale in der Schildergasse gar keine Plätze frei seien. Auch müsse definiert werden, welche Arbeitsplätze gleichwertig seien.

Dem entgegnete der Vorsitzende der Einigungsstelle, “gleichwertig” sei nur “gleichwertig” und nicht “beinahe gleichwertig”.

Finale in der Einigungsstelle

Gegen 21:00 Uhr wurde über die beiden Vorschläge abgestimmt. Da die Arbeitgeberseite nur noch mit einem Beisitzer vertreten war, verzichtete der Betriebsrat auch auf den zweiten Beisitzer. Der Vorschlag mit der Namensliste wurde von beiden Beisitzern abgelehnt: dem Arbeitgeber Beisitzer war der Faktor 0,6 zu viel; der Betriebsrat lehnte die Namensliste ab.

Nunmehr wurde über den zweiten Vorschlag des Vorsitzenden der Einigungsstelle nochmals diskutiert.

Der Vorsitzende rechtfertigte gegenüber der Arbeitgeberseite den Ansatz von 0,6 Bruttomonatsgehältern für die Abfindungen damit, dass in vielen Fällen gar keine Abfindung gezahlt werden müsse, da die Arbeitgeberin ja Arbeitsplätze in der Kölner Schildergasse anbieten könne. Bei einem jährlichen Umsatz in der vom Arbeitgeber mitgeteilten Höhe nur der zu schließenden Filiale sei auch das Gesamtvolumen wirtschaftlich absolut vertretbar. Der geringe ausgewiesene Fehlbetrag in der betriebswirtschaftlichen Auswertung sei nicht so relevant; die Filiale werde ja nicht wegen irgendwelcher Verluste geschlossen, sondern wegen der Beendigung des Mietvertrags.

Hier rächte sich für die Arbeitgeberseite, dass sie so wenig Informationen bereit stellte. Sie hätte wahrscheinlich ein für sie wesentlich günstigeres Ergebnis erzielt, wenn sie umfassender begründet hätte, dass es ihr wirtschaftlich schlecht ginge.

Der Vorsitzende wies weiter darauf hin, dass der Betriebsrat der Filiale in der Kölner Schildergasse die Zustimmung zu den Einstellungen verweigern könne, wenn eine Überbesetzung dort drohe.

Nunmehr wurde über den zweiten Vorschlag des Vorsitzenden der Einigungsstelle abgestimmt,. Der Vorsitzende nahm an der ersten Abstimmung nicht aktiv teil; der Vorschlag fand deshalb keine Mehrheit, denn der Arbeitgeber-Beisitzer stimmte dagegen.

Nunmehr gab es erneut eine Abstimmung. Jetzt wurde der Vorschlag mit den Stimmen des Vorsitzenden und des Betriebsrats-Beisitzers, Rechtsanwalt Derkorn, angenommen.

Abschließend wurde die Vergütung des Vorsitzenden beschlossen. Sie hielt sich im Rahmen des üblichen. Die Beisitzer erhalten je 70 % hiervon, falls sie nicht Betriebsangehörige sind. Betriebsangehörige erhalten nur ihre Arbeitszeit bezahlt.

Weiterer Ablauf nach dem Spruch der Einigungsstelle

Zwei Wochen später wurde der Spruch der Einigungsstelle vom Vorsitzenden Arbeitgeber und Betriebsrat zugestellt. Nun liefen die Rechtsmittelfristen.

Der Betriebsrat beschloss, den Spruch der Einigungsstelle nicht anzufechten. Auch der Arbeitgeber verzichtete darauf, ein Beschlußverfahren beim Arbeitsgericht einzuleiten.

Bereits drei Tage nach Beendigung der Sitzung der Einigungsstelle erhielten alle Arbeitnehmer ein Arbeitsangebot, in der Filiale Schildergasse in Köln zu arbeiten. Ein Arbeitsangebot für Aachen erhielt ein Mitarbeiter, der es aber nicht annehmen musste - er hatte kein Auto.

Dies führte zu Protesten der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat. Dieser hatte das Ergebnis wohl nicht ausführlich genug vertreten und erläutert. Er gab die Empfehlung, dass alle 45 Mitarbeiter dieses Angebot annehmen sollten. Damit sollte die Taktik der Scheinangebote entlarvt werden. Gleichzeitig scheint eine Erkältungswelle über die Belegschaft geschwappt zu sein; gut die Hälfte der Belegschaft erkrankte arbeitsunfähig.

Kritische Bewertung des Ergebnisses der Einigungsstelle

Insgesamt haben wir einen sehr guten Erfolg erzielt: der Sozialplan sieht Abfindungen vor, die über den so genannten Regelsätzen liegt. Und dies ist ein gutes Ergebnis, wenn man berücksichtigt, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter sehr wahrscheinlich nicht arbeitslos wird.

Dies ist natürlich einerseits dem Verhandlungsgeschick der Beisitzer des Betriebsrats in der Einigungsstelle zu verdanken, andererseits hatten wir den Vorteil, dass die Arbeitgeberseite weder ausreichende Informationen einspeiste noch realistische Verhandlungspositionen bezog. Möglicherweise hat sie dadurch auch den Vorsitzenden der Einigungsstelle verärgert.

Wenn ein Arbeitgeber meint, er könne ohne wirtschaftliche Notlage einen Betrieb stilllegen mit einer Nulllösung bei den Abfindungen, so ist das keine sehr aussichtsreiche Verhandlungsposition. Mit unrealistischen Forderungen verärgert er Vorsitzende und Beisitzer der Einigungsstelle, die eine vertretbare Lösung suchen und hierüber nicht mehrere Tage diskutieren möchten.

Kritisch an dem Ergebnis ist zu sehen, dass der Arbeitgeber nun mit der Option “Arbeitsplatzangebot in der Schildergasse” jeden einzelnen Mitarbeiter unter Druck setzen kann und diese Mitarbeiter zur Durchsetzung ihrer Ansprüche tätig werden müssen. Hier zeichnen sich die nächsten Konflikte ab, weil der Arbeitgeber tatsächlich allen Mitarbeitern dieses Angebot machte. Die Filiale in der Schildergasse hat aber bereits genügend Mitarbeiter, um Tag für Tag die Gäste bedienen zu können.

Kampf um die Arbeitsplätze in Aachen und in der Schildergasse in Köln

Auf den ersten Blick ist nicht einzusehen, warum wir als Vertreter des Betriebsrats auf die alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten in Aachen und dem Schwesterbetrieb in der Schildergasse hinwiesen.

Tatsächlich wollte ja weder der Arbeitgeber noch der Betriebsrat ernsthaft, dass ein Mitarbeiter dahin wechselte. Aber der Interessenausgleich wegen der beabsichtigten Betriebsänderung war nicht abgeschlossen, solange noch um anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten gestritten wurde.

Und nur der Druck auf den Arbeitgeber, dass er einen Interessenausgleich versucht haben musste, gab dem Betriebsrat bei den Verhandlungen über den Sozialplan überhaupt eine Machtposition.